(Kiel) Ein Sachverständiger kann nur auf Schadenersatz wegen eines unrichtigen Gutachtens, das er in einem Prozess erstellt hatte, verklagt werden, wenn im Rahmen dieses Prozesses mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versucht wurde, gegen das für falsch gehaltene Gutachten vorzugehen.
Darauf verweist der Kieler Rechtsanwalt Jens Klarmann, Landesregionalleiter „Schleswig-Holstein“ der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf das am 22.11.2010 bekannt gegebene Urteil des Amtsgerichts (AG) München vom 19.11.2009, Az.: 281 C 34656/08.
Ein Vermieter wurde 2003 von seinen Mietern vor dem Amtsgericht München verklagt. In diesem Prozess erhob er Widerklage, weil er der Meinung war, seine Mieter hätten das Blechdach des Wohnanwesens beschädigt, als sie im ersten Obergeschoss des Hauses einen Mauerdurchbruch vornehmen und ein Fenster installieren ließen. Das Blechdach sei dabei nicht genügend abgedeckt worden. Dadurch seien Steine und Putz ungeschützt auf das Dach gefallen und hätten es eingedellt. Die Mieter bestritten dies. Der damals zuständige Mietrichter erholte zu dieser Frage ein Sachverständigengutachten. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Verteilung der Schadstellen eher auf Umweltschäden und nicht auf die Verursachung durch die Bauarbeiten der Mieter schließen lasse. Dieses Gutachten hielten die Vermieter für falsch.
Das Gericht setzte daher einen Verhandlungstermin an, der Sachverständige wurde mündlich angehört und ihm wurden durch den Vermieter Fragen gestellt. Einen Antrag auf Einholung eines Gutachtens durch einen anderen Sachverständigen, ein sogenanntes Obergutachten stellte er jedoch nicht. Der Mietrichter wies die Widerklage darauf hin ab.
Jetzt wollte der Vermieter Schadenersatz vom Sachverständigen und zwar in Höhe von 2884 Euro, die Kosten für die Reparatur des Daches. Das Gutachten sei schließlich falsch. Der Sachverständige habe nicht gewürdigt, dass die Abplatzungen der Beschichtung ausschließlich in den horizontal liegenden Bereichen des Daches vorhanden waren. Bei den schadhaften Veränderungen handele es sich um einen Korrisionsangriff des Zinks, der durch die alkalischen Bestandteile des Mauerwerks hervorgerufen würde und um mechanische Beschädigungen durch das Begehen des Dachs durch die Mieter. Der Sachverständige habe auch grob fahrlässig gehandelt. Er habe ganz naheliegende Überlegungen einfach nicht angestellt. Leider habe er einen Antrag auf erneute Vernehmung des Sachverständigen in der Verhandlung nicht stellen können, da das Urteil überraschend im Anschluss an die Verhandlung verkündet worden sei, wodurch ihm ein weiteres Vorgehen abgeschnitten wurde. Der Sachverständige wies die Vorwürfe zurück.
Darauf hin erhob der Vermieter erneut Klage vor dem Amtsgericht München, diesmal gegen den Sachverständigen.
Die zuständige Richterin des Zivilgerichts wies die Klage jedoch ab, so Klarmann.
Die Haftung eines gerichtlichen Sachverständigen richte sich nach § 839 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Diese Vorschrift setze voraus, dass ein unrichtiges Gutachten erstellt wurde, dass die Unrichtigkeit auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Gutachters beruhe, dass das unrichtige Gutachten ursächlich für das Urteil war und dass im Ausgangsverfahren mit allen Mitteln versucht wurde, gegen das Urteil vorzugehen. Der Geschädigte sei gehalten, alle ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel einzulegen und alle notwendigen Anträge zu stellen. Zweck dieser Regelung sei, dass die Klärung von Streitfragen am besten unmittelbar im Ausgangsprozess erfolgen solle, um zu verhindern, dass im Ausgangsverfahren die falsche Partei gewinne und die Streitfragen dann im neuen Prozess erneut aufgerollt werden müssen.
Im vorliegenden Fall habe der Kläger zwar im Rahmen der mündlichen Anhörung Ergänzungsfragen gestellt, aber keinen Antrag auf Einholung eines Obergutachtens. Dies sei auch fahrlässig unterblieben, da dieser Antrag einer sorgfältigen Prozessführung entsprochen hätte. Der Vortrag des Klägers, es hätte im Anschluss an die Verhandlung gleich das Urteil gegeben, entschuldige ihn dabei nicht.
Nach der Zivilprozessordnung (ZPO) sei dies der gesetzlich vorgesehene Normalfall. Im Übrigen wäre auch bei Festsetzung eines Verkündungstermins ein weiteres Vorbringen nicht mehr möglich gewesen. Es sei ein selbst unter Anwälten weitverbreiteter Irrtum, dass man den Zeitraum bis zum Verkündungstermin noch für Schriftsätze nutzen könne. Dem sei nicht so. Nach der ZPO müsse jede Partei in der mündlichen Verhandlung ihre Anträge so zeitig vorbringen, wie dies einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspreche. Der Kläger hätte den Antrag auf ein Obergutachten bereits nach Vorliegen des schriftlichen Gutachtens stellen können, spätestens in der mündlichen Verhandlung stellen müssen. Dass er Berufung eingelegt habe, ändere daran auch nichts. Das Berufungsgericht müsse bei der Überprüfung des amtsgerichtlichen Urteils im Regelfall nur das zugrunde legen, was in der ersten Instanz vorgetragen wurde. Das Urteil ist rechtskräftig.
Klarmann empfahl, dies zu beachten und bei Fragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei er in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.
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