(Kiel) Mit dem im Rahmen der Organisation von Sportwetten und Lotterien in Deutschland errichteten staatlichen Monopol wird das Ziel der Bekämpfung der mit Glücksspielen verbundenen Gefahren nicht in kohärenter und systematischer Weise verfolgt. 

Hinter diesen verklausulierten Worten, so der Frankfurter Fachanwalt für Verwaltungsrecht Klaus Hünlein von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, verbirgt sich nichts Brisanteres, als dass der Europäische Gerichtshof in Luxemburg in einer am 08. September 2010 veröffentlichten Entscheidung das deutsche Monopol für Sportwetten und Glücksspiele gekippt und  nicht mit dem EU-Recht für vereinbar erklärt hat.

In Deutschland sind die Zuständigkeiten im Spielsektor zwischen dem Bund und den Ländern aufgeteilt. In den meisten Ländern besteht ein regionales Monopol auf die Veranstaltung von Sportwetten und Lotterien, während die Veranstaltung von Pferdewetten und der Betrieb von Spielautomaten sowie Spielkasinos privaten Betreibern übertragen ist, die über eine Erlaubnis hierfür verfügen. Mit dem am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland haben die Länder einen einheitlichen Rahmen für die Veranstaltung von Glücksspielen geschaffen; hiervon ausgenommen sind Spielkasinos. Im Anschluss an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde dieser Vertrag durch den am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag ersetzt. Nach diesem Vertrag ist jede Veranstaltung oder Vermittlung von Glücksspielen im Internet verboten.

In den dem EuGH vorliegenden Rechtssachen ersuchten mehrere deutsche Gerichte den Gerichtshof, sich zur Vereinbarkeit der Glücksspielregelung in Deutschland mit dem Recht der Union zu äußern, so Hünlein.

·  In den verbundenen Rechtssachen C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07 haben die Verwaltungsgerichte Gießen und Stuttgart über Rechtsstreitigkeiten zwischen Vermittlern von Sportwetten und deutschen Behörden zu entscheiden, die diesen Vermittlern untersagt haben, in Hessen bzw. in Baden-Württemberg Sportwetten anzubieten, die von den österreichischen Unternehmen Happybet Sportwetten und Web.coin, dem maltesischen Unternehmen Tipico, der britischen Gesellschaft Happy Bet und der in Gibraltar ansässigen Gesellschaft Digibet veranstaltet werden. Diese Unternehmen verfügen in ihren jeweiligen Heimatländern über Erlaubnisse zur Veranstaltung von Sportwetten.

·  In der Rechtssache C-46/08 hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht darüber zu entscheiden, ob das Land Schleswig-Holstein den Antrag des Unternehmens Carmen Media Group, seine Sportwetten in Deutschland über das Internet anbieten zu dürfen, zu Recht zurückgewiesen hat, obwohl dieses Unternehmen in Gibraltar, wo es seinen Sitz hat, bereits über eine „off-shore-Lizenz“ verfügt, die ihm das Veranstalten von Wetten nur außerhalb Gibraltars gestattet.


·  In der Rechtssache C-409/06 schließlich ist das Verwaltungsgericht Köln mit einem Rechtsstreit zwischen einem Vermittler für Sportwetten, der für Rechnung des maltesischen Unternehmens Tipico tätig ist, und den deutschen Behörden befasst worden. Dieses Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts vor den nationalen Rechtsordnungen es zulässt, dass die Mitgliedstaaten eine Regelung über ein staatliches Sportwettenmonopol, das unzulässige Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs mit sich bringt, ausnahmsweise während einer Übergangszeit weiterhin anwenden.

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die deutsche Regelung über Sportwetten eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit darstellt. so betont Hünlein. 

Er weist allerdings darauf hin, dass eine solche Beschränkung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht gerechtfertigt sein kann. Die nationalen Maßnahmen, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, müssen aber zu ihrer Verwirklichung geeignet sein und dürfen nur solche Beschränkungen vorsehen, die dafür erforderlich sind. 

Insoweit ist der Gerichtshof der Auffassung, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, in dem Bestreben, die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, staatliche Monopole zu schaffen. Insbesondere lassen sich mit einem solchen Monopol die mit dem Glücksspielsektor verbundenen Gefahren wirksamer beherrschen als mit einem System, in dem privaten Veranstaltern die Veranstaltung von Wetten unter dem Vorbehalt der Einhaltung der in dem entsprechenden Bereich geltenden Rechtsvorschriften erlaubt würde. 

Sodann weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Umstand, dass von verschiedenen Arten von Glücksspielen einige einem staatlichen Monopol und andere einer Regelung unterliegen, nach der privaten Veranstaltern eine Erlaubnis erteilt wird, für sich genommen die Kohärenz des deutschen Systems nicht in Frage stellen kann. Diese Spiele weisen nämlich unterschiedliche Merkmale auf. 

Gleichwohl haben die deutschen Gerichte nach Ansicht des Gerichtshofs angesichts der von ihnen in den vorliegenden Rechtssachen getroffenen Feststellungen Grund zu der Schlussfolgerung, dass „die deutsche Regelung die Glücksspiele nicht in kohärenter und systematischer Weise begrenzt.“ Zum einen führen nämlich die Inhaber der staatlichen Monopole intensive Werbekampagnen durch, um die Gewinne aus den Lotterien zu maximieren, und entfernen sich damit von den Zielen, die das Bestehen dieser Monopole rechtfertigen. Zum anderen betreiben oder dulden die deutschen Behörden in Bezug auf Glücksspiele wie Kasino- oder Automatenspiele, die nicht dem staatlichen Monopol unterliegen, aber ein höheres Suchtpotenzial aufweisen als die vom Monopol erfassten Spiele, eine Politik, mit der zur Teilnahme an diesen Spielen ermuntert wird. Unter diesen Umständen lässt sich das präventive Ziel des Monopols nicht mehr wirksam verfolgen, so dass das Monopol nicht mehr gerechtfertigt werden kann. 

Im Übrigen weist der Gerichtshof darauf hin, dass die dieses Monopol betreffende nationale Regelung, die gegen die Grundfreiheiten der Union verstößt, auch während der Zeit, die erforderlich ist, um sie mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen, nicht weiter angewandt werden darf. 

Schließlich legt der Gerichtshof dar, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung des Niveaus des Schutzes gegen die von Glücksspielen ausgehenden Gefahren über einen weiten Wertungsspielraum verfügen. Daher – und in Ermangelung jeglicher gemeinschaftlicher Harmonisierung dieses Bereichs – sind sie nicht verpflichtet, die von anderen Mitgliedstaaten im Glücksspielsektor erteilten Erlaubnisse anzuerkennen. Aus den gleichen Gründen und angesichts der Gefahren, die im Internet angebotene Glücksspiele im Vergleich zu herkömmlichen Glücksspielen aufweisen, können die Mitgliedstaaten auch das Anbieten von Glücksspielen im Internet verbieten.

Rechtsanwalt Hünlein empfahl, das Urteil zu beachten und in Zweifelsfällen Rechtsrat einzuholen, wozu er u. a. auch auf die entsprechend spezialisierten Anwälte und Anwältinnen in der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.

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Klaus Hünlein
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Fachanwalt für Verwaltungsrecht
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