(Kiel) In den ähnlich gelagerten Schadensersatzprozessen zweier Anleger gegen die Hamburger Sparkasse wegen des Erwerbs von Lehman-Zertifikaten hat der 13. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts am 23. April 2010 im Berufungsverfahren die Urteile des Landgerichts Hamburg abgeändert und die Klagen abgewiesen.

Darauf verweist der Hamburger Rechtsanwalt Matthias W. Kroll, LL.M., Leiter des Fachausschusses „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“ der DASV Deutschen Anwalt- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf die Urteile des des Hanseatischen Oberlandesgerichts am 23. April 2010, Az.: 13 U 117/09 und 13 U 118/09. In beiden Fällen hat der Senat auf Seiten der Hamburger Sparkasse keine zum Schadensersatz verpflichtende Verletzung der Pflicht zur anleger- und anlagegerechten Beratung festgestellt.


Eine Beratungspflichtverletzung könne – entgegen der Sichtweise des Landgerichts – insbesondere nicht darin gesehen werden, dass die Kläger beim Erwerb der Zertifikate nicht über die Höhe der Gewinnmarge der Hamburger Sparkasse und die nicht vorhandene Einlagensicherung aufgeklärt wurden. Auch könnten die empfohlenen Produkte nicht als besonders spekulative Anlage angesehen werden. Bei einem regulären Verlauf hätten die Zertifikate lediglich das Risiko mit sich gebracht, dass für die Laufzeit keinerlei Rendite auf das eingesetzte Kapital erwirtschaftet worden wäre. Auf die Bonität der Lehman-Brothers Inc. habe im Zeitpunkt der Beratungen in den Jahren 2006 und 2007 ohne Weiteres vertraut werden können. Die Beratung der Anleger, die bereits über Erfahrungen mit riskanteren Wertpapieren verfügt hätten und von der Beklagten über die Möglichkeit eines Totalverlustes aufgeklärt worden seien, sei insgesamt angemessen gewesen.


Zur unterbliebenen Belehrung über die Höhe der von der Beklagten erzielten Gewinnmarge hat der Senat ausgeführt, so Kroll, dass die sog. „kick-back“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs  auf die hiesigen Fallkonstellationen nicht übertragbar sei. Nach der „kick-back-Rechtsprechung“ schuldet eine Bank im Rahmen der Anlageberatung Aufklärung, wenn sie – unerkennbar für den Kunden – entweder ihrerseits an einen Vermögensberater, der ihr den Kunden vermittelt hat, Provisionen zahlt oder umgekehrt selbst von einem solchen Berater oder auch dem Emittenten einer Anlage Provisionen bezieht. Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf die hiesigen Fälle scheidet nach der Auffassung des Senats aus, da der Verkauf der Zertifikate ein Eigengeschäft der Beklagten war und entsprechend kein Dreipersonenverhältnis vorgelegen habe. Jedem Anleger, der die Beratungsleistung einer Bank in Anspruch nimmt, hierfür aber keine gesonderte Vergütung entrichtet, müsse klar sein, dass das Unternehmen mit seiner Leistung einen Gewinn erziele. Einer besonderen Aufklärung bedürfe es insoweit nicht. Die Annahme einer entsprechenden Aufklärungspflicht würde Banken entgegen ihren schutzwürdigen Interessen zwingen, bei der Anlageberatung ihre Kalkulation und Ertragsstruktur vollständig offenzulegen. In den hier zu entscheidenden Fällen habe eine entsprechende Aufklärungspflicht zudem schon deshalb nicht bestanden, weil die Beklagte mit der Empfehlung der Lehman-Zertifikate sogar einen geringeren Gewinn als mit dem Verkauf ihrer anderen  Anlageprodukte erwirtschaftet habe. Gegenüber anderen Anlageformen habe damit kein erhöhter Vertriebsanreiz und deshalb auch kein Interessenkonflikt existiert, der die Beklagte zur Offenlegung der Marge und / oder des Platzierungsrisikos verpflichtet habe.


Neben der Aufklärung darüber, dass die Kläger bei dem Erwerb der Lehman-Zertifikate das Emittentenrisiko von Lehman Inc. trugen, bedurfte es nach Ansicht des Senats keines zusätzlichen Hinweises darauf, dass die verkauften Zertifikate nicht der deutschen Einlagensicherung unterlagen. Aus wirtschaftlicher Sicht sei es für einen Anleger, dem bekannt ist, dass ein Totalverlust eintreten kann, ohne Belang, ob dies allein geschieht, weil der Ausgeber der Anleihe insolvent ist oder weil zusätzlich auch kein Sicherungssystem eingreift. Damit komme einer Warnung vor dem Fehlen einer Einlagensicherung neben dem Hinweis auf das Emittentenrisiko keine eigenständige Bedeutung zu. Der Beweis der Behauptung, auch nicht über das Emittentenrisiko belehrt worden zu sein, sei den Klägern nicht gelungen.


Der Senat hat in beiden Fällen die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Die Frage, ob eine Bank im Rahmen der Anlageberatung einen Hinweis auf die von ihr erzielte Gewinnmarge aus einem Eigengeschäft erteilen muss bzw. neben dem Hinweis auf das Emittentenrisiko auch noch Aufklärung über das Nichteingreifen eines Einlagensicherungssystem schuldet, sei von grundsätzlicher Bedeutung und bislang nicht höchstrichterlich entschieden worden.


Kroll riet, die Urteile und einen etwaigen Fortgang zu beachten und in allen Zweifelsfragen Rechtsrat einzuholen, wobei er  dazu u. a. auch auf die entsprechend spezialisierten Anwälte und Anwältinnen in der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies


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Matthias W. Kroll, LL.M.
Rechtsanwalt/Master of Insurance Law
Leiter des Fachausschusses XIV „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“
der DASV Deutschen Anwalt- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.
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