(Kiel) Der u. a. für Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat am 16.04.2010 den Antrag der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen, mit der sie eine Malerin die künftige Veröffentlichung und sonstige Verbreitung des eines Bildes verbieten lassen wollte, auf dem sie nackt dargestellt wird.

Darauf verweist die Hamburger Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht Karin Scheel-Pötzl von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden vom 16.04.2010, Az.: 4 U 127/10.


Die Verfügungsbeklagte hatte im Internet ein Gemälde mit dem Titel »Frau Orosz wirbt für das Welterbe« veröffentlicht, auf dem die Oberbürgermeisterin nackt – lediglich mit rosafarbenen Strapsen und Strapshaltern sowie einer Bürgermeisterkette »bekleidet« – zu sehen war. Im Zusammenhang mit dem Tag des offenen Ateliers in Dresden wurde das Gemälde – neben anderen Bildern der Künstlerin –  am 15.11.2009 in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht. Nachdem die Malerin die Aufforderung auf Abgabe einer Unterlassungserklärung in Bezug auf die künftige Veröffentlichung und sonstige Verbreitung des Bildes abgelehnt hatte, stellte Dresdens Oberbürgermeisterin Orosz Antrag auf Erlass einer  Einstweiligen Verfügung. Das Originalgemälde ist zwischenzeitlich verkauft.


Das erstinstanzlich mit dem Antrag befasste Landgericht Dresden hatte dem Antrag von Helma Orosz mit der Begründung stattgegeben, die Nacktdarstellung verletze die Verfügungsklägerin in ihrem Recht am eigenen Bild sowie ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die verfassungsrechtlich garantierte Kunstfreiheit habe zurückzutreten, da auch bei Personen der Zeitgeschichte die Intimsphäre insoweit geschützt sei, als ihnen die Entscheidung über die Veröffentlichung ihres nackten Körpers vorbehalten sei.
Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat die Entscheidung des Landgerichts nun aufgehoben und den Antrag abgewiesen, betont Scheel-Pötzl.


Das streitgegenständliche Gemälde sei ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, dessen Zurschaustellung die Klägerin nicht in berechtigten Interessen verletze und daher ohne ihre Einwilligung verbreitet werden dürfe.


Zwar seien auch Bildnissen mit Bezug zur Zeitgeschichte bei Einbrüchen in die Persönlichkeitssphäre durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Grenzen gesetzt. Insoweit sei im Einzelfall eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen einerseits und der Kunst- und der Meinungsfreiheit andererseits geboten.
Diese Abwägung falle hier zugunsten der beklagten Künstlerin aus. Bei dem Bild handele es sich nicht nur um Kunst im verfassungsrechtlichen Sinne, sondern zugleich um eine satirische Darstellung eines aktuellen politischen Geschehens, die dem Schutz der allgemeinen Meinungsfreiheit unterliege. Satirische Darstellungen genössen einen weiten Freiraum bis zur Grenze der Schmähkritik, da ihnen Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen gerade wesenseigen seien. Das Werk der Beklagten beinhalte nach seinem Aussagekern einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf und sei  nicht als Schmähkritik oder Kundgabe von Missachtung anzusehen. Die Klägerin erscheine als Werberin für den heftig umstrittenen Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden. Dieses »Werben« werde in erkennbar satirischer Absicht durch die Platzierung der Klägerin mit geöffneten Armen und zur Brücke hindeutender Pose verdeutlicht und zugleich ins Lächerliche gezogen. Die Nacktheit der Klägerin könne in diesem Kontext ohne weiteres als allegorische Darstellung der Unmöglichkeit oder Unfähigkeit zur Abwendung des Verlustes des Unesco-Welterbetitels verstanden werden. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der weibliche und auch männliche Akt zentrales Thema des künstlerischen Schaffens der Beklagten sei. Die Künstlerin greife malerisch ein Motiv auf, wie es literarisch etwa in Andersens Märchen »Des Kaisers neue Kleider« auftauche und habe zum Ausdruck bringen wollen, dass die Klägerin »nichts in der Hand habe«. Dieser Aussagekern bewege sich im Schutzbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung.


Auch die Einkleidung dieser Aussage – die malerische Darstellung des Kopfes der Klägerin mit einem nachempfundenen nackten Körper, Requisiten wie Strapse und Schärpe sowie die leuchtend-aufdringliche Farbgestaltung – müsse die Klägerin hinnehmen. Zwar sei nachvollziehbar, dass sie sich in ihrem Schamgefühl und ihrer Autorität beeinträchtigt sehe. Das Bildnis stelle aber ersichtlich weder einen Vorgang aus dem Sexualbereich dar noch werde die Klägerin in reißerischer Manier oder als Objekt männlicher Begierde zur Schau gestellt. Sie werde auch nicht in ihrem Privatleben, sondern – symbolisiert durch die Amtskette – bei der Ausübung ihrer politischen Tätigkeit abgebildet, in der sie weitgehenden Einschränkungen ihrer Privatsphäre unterworfen sei.


An der Zulässigkeit der satirischen Darstellung ändere nichts, dass es an einer weitgehenden Verfremdung der Person der Klägerin fehle. Die Erkennbarkeit der Person sei hier vielmehr Voraussetzung dafür, dass der Aussagegehalt der Meinungsäußerung erkennbar werde. Schließlich führe auch das »Unterschieben« eines fremden Körpers nicht zur Unzulässigkeit der Bildveröffentlichung. Zwar unterliege die Manipulation von Fotografien verschärften verfassungsrechtlichen Anforderungen. Ein weiblicher Akt auf einem Gemälde unterscheide sich von einer Fotomontage aber dadurch, dass er auch bei naturalistischer Darstellung immer nur eine Interpretation der abgebildeten Person durch den Künstler sei und – auch angesichts der flüchtigen, an Kulissenmalerei erinnernden Ausführung – nicht den Eindruck einer authentischen Abbildung erwecke.
Bei dieser Sachlage habe das Persönlichkeitsrecht der Klägerin hinter die Meinungs- und Kunstfreiheit der Beklagten zurückzutreten. Gegen das im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangene Urteil ist kein förmliches Rechtsmittel mehr möglich.


Scheel-Pötzl empfahl, das Urteil zu beachten und bei ähnlichen Fällen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen und verwies in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  –


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