(Kiel) Der 2. Kartellsenat des Oberlandesgerichts hat entschieden, dass die Formvorschriften, die in einer für Gas-Haushaltskunden im Regelfall geltenden Verordnung geregelt sind, europarechtswidrig sind und Gasversorger Preiserhöhungen daher nicht durchsetzen können.

Darauf verweist der Kieler Rechtsanwalt Jens Klarmann, Landesregionalleiter „Schleswig-Holstein“ der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 18.06.2012 zu seinem Urteil vom 13.06.2012, Az.VI-2 U (Kart) 10/11.

Ein Gasversorger aus Viersen hatte 2011 vor dem Landgericht Mönchengladbach eine Viersener Gaskundin auf Zahlung von mehr als 5.000 € verklagt, weil diese sich geweigert hatte, die vom Gasunternehmen berechneten Preiserhöhungen für den Zeitraum von September 2005 bis September 2010 zu zahlen. Das Landgericht hatte die Beklagte am 15.09.2011 zur Zahlung verurteilt (Aktenzeichen 6 O 61/11). Gegen diese Entscheidung hatte die Gaskundin Berufung zum Oberlandesgericht eingelegt.

Mit Urteil vom 13.06.2012 hat der 2. Kartellsenat des Oberlandesgerichts die Klage des Gasversorgers abgewiesen, so Klarmann, und entschieden, dass die Gaskundin nicht zur Zahlung verpflichtet ist. Die Kundin habe einen Grundversorgungsvertrag geschlossen, auf den die Regeln der GasGVV bzw. der AVBGasV anzuwenden seien. Die GasGVV regelt, zu welchen Bedingungen Gasversorgungsunternehmen Haushaltskunden im Rahmen der Grundversorgung zu beliefern haben (GasGVV: Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz; bis zum 08.11.2006 galt die AVBGasV, Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden).

Der Senat geht davon aus, dass die GasGVV und die AVBGasV entsprechend den europarechtlichen Vorgaben auszulegen seien. So verpflichte die Erdgasbinnenmarktrichtline 2003/55/EG die Mitgliedstaaten, transparente Vertragsbedingungen festzulegen. Die Richtlinie verlange u.a., dass Gasversorger jede Gebührenerhöhung ihren Kunden unmittelbar mit angemessener Frist vorab mitteilen und dabei auch über das Kündigungsrecht des Kunden informieren. Die GasGVV berücksichtige diese europarechtlichen Vorschriften jedoch nur unzureichend, weil die GasGVV keine Belehrung über das Kündigungsrecht des Kunden normiere. In der bis November 2006 geltenden AVBGasV sei darüber hinaus auch nicht die unmittelbare Mitteilung per Brief an den Gaskunden vorgesehen gewesen. Da im vorliegenden Fall nicht auf das Kündigungsrecht und auf Gaspreiserhöhungen nur teilweise per Brief hingewiesen worden seien, könnten die seit September 2005 geforderten Erhöhungen nicht verlangt werden.

Es sei auch unerheblich, dass die Gaskundin sich erst im Oktober 2006, mehr als ein Jahr nach der ersten hier streitigen Preiserhöhung, gegen die Gaspreiserhöhung gewandt habe. Das bloße Schweigen könne nicht als stillschweigende Zustimmung zur Preiserhöhung verstanden werden.

Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Gegen die Entscheidung kann das Gasunternehmen daher binnen eines Monats nach Zustellung Revision zum Bundesgerichtshof einlegen.

Klarmann empfahl daher, dies zu beachten und bei Fragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei er in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.

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