(Kiel) In einem am 11.03.2010 verkündeten Urteil hat das Sozialgericht Aachen entschieden, dass gesetzlich Krankenversicherte, die unter einer feuchten altersbedingten Makula-degeneration (sog. „feuchte AMD“) leiden, Anspruch auf Versorgung mit dem für diese Erkrankung zugelassenen Arzneimittel Lucentis® haben und nicht gegen ihren Willen auf die Verwendung eines anderen – in der Anwendung um ein Vielfaches preiswerteren – Mittels (Avastin®) verwiesen werden können.
Darauf verweist der Kieler Rechtsanwalt Jens Klarmann, Landesregionalleiter „Schleswig-Holstein“ der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf das am 15.03.2010 veröffentlichte Urteil des Sozialgerichts (SG) Aachen vom 11.03.2010, Az.: S 2 (15) KR 115/08 KN.
Bei der feuchten AMD handelt es sich um eine Erkrankung, bei der Blutgefäße in die Netzhaut einsprießen, was bei den Betroffenen regelmäßig zu einem schnellen Verlust des zentralen Sehens führt und bis zur Erblindung führen kann. Zur Behandlung dieser Erkrankung ist in Deutschland allein das Mittel Lucentis® zugelassen. Dieses wird den Patienten in das Auge injiziert. Die Klägerin wollte diese Behandlung in einer Universitäts-Augenklinik durchführen lassen. Die Kosten für die (mindestens) erforderlichen dreimaligen Injektionen beliefen sich insgesamt auf ca. 3.200 Euro. Die Beklagte, eine gesetzliche Krankenkasse, lehnte dies ab und verwies die Klägerin darauf, sie habe mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein sowie der Vereinigung operierender Augenärzte Nordrhein und dem Bundesverband der Ophthalmochirurgen e.V. einen Vertrag abgeschlossen, wonach eine Vielzahl von Augenärzten eine Behandlung der feuchten AMD für eine Pauschalpreis von 450 € pro Injektion und 65 Euro für die Nachsorge, mithin für unter 1.500,00 €, durchführten. Die Klägerin solle sich an diese wenden. Dies lehnte die Klägerin mit dem Argument ab, bei der Vertragsgestaltung der Beklagten sei nicht gewährleistet, dass sie tatsächlich mit dem zugelassenen Arzneimittel Lucentis® behandelt werde. Sie sehe vielmehr die Gefahr, dass ihr dort Avastin® verabreicht werde. Hierbei handelt es sich um ein Arzneimittel, das nach Auffassung zahlreicher Augenärzte ebenfalls ein zur Behandlung der feuchten AMD probates Mittel ist. Es ist aber nur für bestimmte Krebserkrankungen und nicht für den augenärztlichen Bereich zugelassen.
Das Sozialgericht Aachen hat nunmehr entschieden, so betont Klarmann, dass die Klägerin einen Anspruch auf die Behandlung mit Lucentis® bei dem von ihr gewählten Augenarzt hat. Der Vorsitzende hat dabei in seiner mündlichen Urteilsbegründung deutlich gemacht, dass das Gericht – in Zeiten stetig steigender Ausgaben im Gesundheitswesen – das Bestreben der Krankenkasse, Kosten zu vermindern würdige. Das Gebot an die gesetzlichen Krankenkassen, wirtschaftlich zu handeln, sei schließlich im Gesetz verankert. Der konkret abgeschlossene Vertrag über die Behandlung der feuchten AMD zu einem Pauschalpreis, finde aber auf die Klägerin keine Anwendung. Voraussetzung hierfür wäre nämlich, dass die Klägerin sich freiwillig mit einer Behandlung auf Grundlage dieses Vertrages einverstanden erklärt hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Vor diesem Hintergrund könne die Beklagte die von der Klägerin für die Behandlung begehrte Kostenübernahme nicht auf die Höhe der Pauschalvereinbarung begrenzen. Der Argumentation der Beklagten, die Behandlung mit Avastin® statt Lucentis® sei bei gleicher Wirksamkeit erheblich wirtschaftlicher, hat das Gericht im vorliegenden Fall daher nicht gelten lassen. Bei der Anwendung von Avastin® für den Bereich der feuchten AMD handelt es sich um sog. „Off-labe-use“, also um eine Anwendung eines Medikaments außerhalb des eigentlichen Zulassungsbereichs. Eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung kommt in solchen Fällen – auch wegen eventuell damit verbundener Risiken für den Patienten – nur in ganz engen Ausnahmefällen in Betracht. Diese liegen in diesem Fall nicht vor. Keine Bedenken hatte das Gericht hinsichtlich des Umstandes, dass der behandelnde Augenarzt der Klägerin – aus Gründen der Kostenersparnis – ausgeeinzeltes Lucentis verwandt hatte. Hierbei wird mit einer Ampulle Lucentis nicht nur ein Patient behandelt und der Rest des Medikamentes entsorgt, sondern es werden – was medizinisch und technisch möglich ist – mit dem Inhalt einer Ampulle mehrere Patienten behandelt. In diesem Zusammenhang hat das Gericht jedoch darauf hingewiesen, dass hierbei bestimmte Regeln einzuhalten sind.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts ist die Berufung zum Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Essen zulässig
Klarmann empfahl, dies zu beachten und ggfs. rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.
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