(Kiel) Der Bundesfinanzhof hat in einer Entscheidung vom 11.11.2009, IX R 1/09, klargestellt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Zeitpunkt des Zuflusses einer Abfindung in der Weise steuerwirksam gestalten können, dass sie die ursprünglich vorgesehene Fälligkeit vor ihrem Eintritt auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt in solchen Fällen regelmäßig nicht vor.

Darauf verweist der Hamburger Rechtsanwalt und Lehrbeauftragte für Arbeitsrecht Stefan Engelhardt, Landesregionalleiter Hamburg der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel.


Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die von ihrem früheren Arbeitgeber aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahre 2000 eine Abfindung in Höhe von DM 75.000,00 zu erhalten hatte. Der Zeitpunkt der Fälligkeit eines Teils der Abfindung für das Ausscheiden der Arbeitnehmerin wurde in einer Betriebsvereinbarung auf einen Tag im November 2000 bestimmt. Im Interesse einer günstigeren steuerlichen Gestaltung verschoben die Vertragsparteien den Fälligkeitszeitpunkt jedoch einvernehmlich auf den Januar 2001. Der steuerpflichtige Teil der Abfindung in Höhe von DM 51.000,00 wurde dementsprechend im Januar 2001 zur Auszahlung gebracht, die Auszahlung des steuerfreien Anteils der Abfindung in Höhe von DM 24.000,00 erfolgte bei Austritt mit der Novemberabrechnung. In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 erklärte die Klägerin den steuerpflichtigen Teil der Abfindung in Höhe von DM 51.000,00 nicht, die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 enthält den Abfindungsteilbetrag von DM 51.000,00 als Versorgungsbezüge für mehrere Jahre.


Das Finanzamt hatte die Klägerin zunächst antragsgemäß veranlagt, teilte jedoch 2002 mit, dass der Klägerin die gesamte Abfindung bereits im Jahre 2000 zugeflossen sei und ließ im Einkommensteuerbescheid 2001 den Teilbetrag von DM 51.000,00 außer Ansatz. Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erließ es einen Einkommensteuer-änderungsbescheid für das Jahr 2000 und erfasste von der Abfindung einen Betrag in Höhe von DM 5.004,00 als laufenden Arbeitslohn (Weihnachtsgeld) sowie den steuerpflichtigen Restbetrag in Höhe von DM 45.996,00 als ermäßigt zu besteuernde Abfindung gemäß § 34 Abs. 1 EStG. Im Bescheid für das Jahr 2000 wurden Nachzahlungszinsen in Höhe von ca. € 200,00 festgesetzt. Das Finanzgericht gab der Klage statt, die Revision des Finanzamtes hatte vor dem Bundesfinanzhof keinen Erfolg.


Der BFH hat nun dazu ausgeführt, so Engelhardt, dass die Abfindung in Höhe des Teilbetrages von DM 51.000,00 der Klägerin erst mit der Auszahlung im Jahr 2001 zugeflossen ist und somit auch erst im Jahre 2001 zu versteuern war.


Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Nicht laufend gezahlter Arbeitslohn ist in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zugeflossen ist. Zufluss liegt vor, sobald der Steuerpflichtige über den Arbeitslohn wirtschaftlich verfügen kann. Die Fälligkeit eines Anspruchs allein führt somit nicht zu einem gegenwärtigen Zufluss. Entscheidend ist allein der uneingeschränkte, volle wirtschaftliche Übergang des geschuldeten Gutes oder das Erlangen der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis hierüber. Dafür genügt es auch, vor der Realisierung des Leistungserfolges, dass der Gläubiger ohne weiteres Zutun des Schuldners die Möglichkeit hat, den Leistungserfolg herbeizuführen.


Es steht Gläubiger und Schuldner einer Geldforderung grundsätzlich frei, im Rahmen der zivilrechtlichen Gestaltung des Erfüllungszeitpunkts auch die steuerrechtliche Zuordnung der Erfüllung zu einem Veranlagungszeitraum zu gestalten. Wenn es den Beteiligten möglich ist, von vornherein die Zahlung einer Abfindung für die Auflösung eines Dienstverhältnisses auf einen anderen Zeitpunkt als den der Auflösung des Dienstverhältnisses zu bestimmen, der für sie steuerlich günstiger ist, so kann es ihnen auch nicht verwehrt sein, die vorherige Vereinbarung, jedenfalls vor der ursprünglich vereinbarten Fälligkeit, einvernehmlich und in beiderseitigem Interesse wieder abzuändern. Ein Rechtsmissbrauch im Sinne des § 42 AO kommt in solchen Fällen regelmäßig nicht in Betracht.


Engelhardt empfahl, das Urteil zu beachten und bei ähnlichen Fällen auf jeden Fall Rechts- und Steuerrat einzuholen und verwies in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  –


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