(Kiel) Der Bundesgerichtshof (BGH)hat durch Beschluss vom 12.11.2009 dem Europäischen Gerichtshof in Brüssel (EuGH) Fragen zur Auslegung der Biopatentrichtlinie vorgelegt.
Darauf verweist der Düsseldorfer Patentanwalt Dipl.-Ing. Stefan Brinkmann, Vizepräsident der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf den soeben veröffentlichten BGH Beschluss vom 12.11.2009, Az. Xa ZR 58/07.
Der beklagte Patentinhaber, Prof. Dr. Brüstle, ist Inhaber eines vom Deutschen Patent- und Markenamt erteilten Patents, das isolierte und gereinigte neurale Vorläuferzellen, Verfahren zu ihrer Herstellung aus embryonalen Stammzellen sowie die Verwendung der neuralen Vorläuferzellen zur Therapie von neuralen Defekten betrifft.
Nach den Ausführungen in der Patentschrift stellt die Transplantation von Hirnzellen in das Nervensystem eine Erfolg versprechende Methode für die Behandlung zahlreicher neurologischer Erkrankungen dar. Da ausgereifte Nervenzellen nur eine geringe Regenerationsfähigkeit aufwiesen, sei die Transplantation von unreifen, noch entwicklungsfähigen Vorläuferzellen notwendig, die jedoch in der Regel nur während der Entwicklung des Gehirns vorhanden seien. Der Rückgriff auf das Gehirngewebe von Embryonen komme jedoch bei menschlichen Embryonen schon aus ethischen Gründen nicht in Betracht. Vor diesem Hintergrund beschreibt das Patent einen Weg, auf dem für die Transplantation geeignete Zellen („Vorläuferzellen“ im Sinne des Patents) aus embryonalen Stammzellen gewonnen werden können, und beansprucht Schutz für die Vorläuferzellen und das Verfahren zu ihrer Gewinnung.
Der Kläger – Greenpeace e.V. – hat beantragt, das Patent wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten für nichtig zu erklären, soweit die Patentansprüche Vorläuferzellen umfassen, die aus menschlichen embryonalen Stammzellen gewonnen werden. Das in erster Instanz zuständige Bundespatent-gericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und das Patent für nichtig erklärt, soweit es Zellen umfasst, die aus embryonalen Stammzellen von menschlichen Embryonen gewonnen werden. Im genannten Umfang verstoße der Gebrauch der Erfindung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 2 des Patentgesetzes in der seit dem 28. Februar 2005 geltenden Fassung, aber auch aus der für die Auslegung dieser Vorschrift heranzuziehenden Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (im Folgenden: Richtlinie). Gegen die Entscheidung des Bundespatentgerichts hat der beklagte Patentinhaber Berufung eingelegt.
Das für die Erteilung europäischer Patente zuständige Europäische Patentamt hat in einem ähnlich gelagerten Fall vor kurzem entschieden, dass ein europäisches Patent nach den dafür einschlägigen Vorschriften nicht für Erzeugnisse erteilt werden darf, die im Anmeldezeitpunkt ausschließlich durch ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung der menschlichen Embryonen einhergeht, aus denen die Erzeugnisse gewonnen werden, selbst wenn dieses Verfahren nicht zu der durch das Patent geschützten technischen Lehre gehört (Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 25. November 2008 – G 2/06).
Der für Patentnichtigkeitsverfahren zuständige Xa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs beabsichtigt, das Berufungsverfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorzulegen, betont Patentanwalt Brinkmann.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es nämlich auf die Auslegung des § 2 PatG an, der es verbietet, Patente für Erfindungen zu erteilen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde; insbesondere werden nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 „Patente nicht erteilt für die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“. Die richtige Auslegung dieser Vorschrift des Patentgesetzes ist wiederum davon abhängig, wie die insoweit gleichlautende Vorschrift des Art. 6 der Richtlinie auszulegen ist, die durch § 2 PatG in das deutsche Recht umgesetzt worden ist.
Der Inhalt des Art. 6 ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs in mehrfacher Hinsicht nicht eindeutig. Zunächst stellt sich die Frage, wie die Richtlinie den Begriff „menschliche Embryonen“ definiert. Es ist insbesondere zu entscheiden, ob auch die aus der Blastozyste, einem bestimmten Entwicklungsstadium der befruchteten Eizelle, gewonnene Stammzelle als Embryo anzusehen ist, obwohl sie als solche nicht mehr die Fähigkeit besitzt, sich zu einem menschlichen Individuum fortzuentwickeln. Gegebenenfalls wird auch zu entscheiden sein, ob die Blastozyste ihrerseits Embryo im Sinne des Gesetzes ist.
Auf die letzte Frage wird es dann ankommen, wenn für eine „Verwendung von Embryonen“ im Sinne der Richtlinie bereits ausreichen sollte, dass die Gewinnung der erfindungsgemäß zu verwendenden Stammzellen (die selbst nicht als Embryonen anzusehen sind) notwendigerweise den „Verbrauch“ von Blastozysten voraussetzt. Schließlich wird in diesem Fall die weitere Frage zu beantworten sein, ob jede gewerbsmäßige (d.h. nicht private) Verwendung im Sinne des Patentgesetzes eine „Verwendung zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“ ist, insbesondere ob auch eine Verwendung zu Forschungszwecken oder zu therapeutischen Zwecken eine „kommerzielle“ Verwendung im Sinne des Art. 6 der Richtlinie ist.
Brinkmann mahnte, das anstehende Urteil zu beachten und verwies bei Fragen u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de
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