(Kiel) Nach dem Kunsturheberrechtsgesetz (§ 22 KUG) dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.
Ohne diese erforderliche Einwilligung, so die Hamburger Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht Karin Scheel-Pötzl von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, dürfen nach § 23 KUG u. a. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte verbreitet oder zur Schau gestellt werden. Diese Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.
Ob und wann dies der Fall ist, führt allerdings immer wieder zu Streit, so die Urheber- und Medienrechtsexpertin, da ansonsten für die ungenehmigte Bildveröffentlichung seitens des Betroffenen ein Schmerzensgeld verlangt werden kann. Einen solchen Fall, so Scheel-Pötzl, hatte u. a. das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe kürzlich zu entscheiden. (Urteil vom 08.04.2009, Az.: -6 U 209/07). In dem Fall hatte sich das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Fragen zur „relativen Person der Zeitgeschichte“ zu befassen.
Die beklagte Herausgeberin eines Magazins für Popkultur und Style veranstaltete 2007 ein „Bordsteinduell“ zwischen dem international bekannten Sänger Rea Garvey und einem anderen Sänger, die dabei als Straßenmusikanten in Heidelberg auftraten. Rea Garvey musizierte unter anderem vor dem Restaurant, in dem der Kläger als Kellner arbeitete. Der Kläger schickte Rea Garvey mit der Begründung weg, dieser dürfe vor dem Restaurant keine Musik machen, er, der Kläger, bekomme sonst Ärger mit seinem Chef. Diese Szene wurde von Mitarbeitern der Beklagten fotografisch festgehalten und in einem Artikel verarbeitet. Er enthält eine halbseitige Fotografie, die den deutlich erkennbaren Kläger zeigt, wie er Rea Garvey wegschickt. Der Kläger hatte kein Einverständnis mit der Veröffentlichung erklärt. Der zum Bild gehörende Text lautete:
„Fans in Heidelberg
Bitte weitergehen, Herr Reamonn: ‚Sie können hier keine Musik machen. Sonst bekomme ich Ärger mit meinem Chef’, sagt ein Kellner.“
Im zugehörigen Text hieß es unter anderem:
„Dann stürmt plötzlich ein Kellner aus dem Restaurant. Auch sein Lächeln könnte jetzt töten. ‚Bitte’, befiehlt er. ‚Sie können hier keine Musik machen. Gehen Sie bitte weiter.’ Rea kann sich ein Grinsen schwer verkneifen, entschuldigt sich, schüttelt dem Kellner die Hand und legt die Gitarre zurück in den Koffer. ‚Das ist wirklich authentisch. Die gleiche Erfahrung habe ich früher auch gemacht. Egal wie gut oder schlecht du spielst – irgendwann wirst du immer weitergeschickt.’…..
…..Superstar hin oder her. Irgendwann hört in Heidelberg der Spaß auf. Und außerdem: Da könnte ja jeder kommen und behaupten er sei der Herr Reamonn.“
Der Kläger, der im Anschluss an den Artikel mehrfach darauf angesprochen wurde, er sei derjenige, bei dem der Spaß aufhöre, hat die beklagte Herausgeberin wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild in Anspruch genommen und Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro verlangt, wovon das Landgericht Heidelberg in seinem Urteil 2.000 Euro zugesprochen hatte.
Gegen diese Entscheidung wandten sich der Kläger und die Beklagte mit ihren Berufungen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in dem Fall beide Berufungen zurückgewiesen, betont Scheel-Pötzl.
Die Veröffentlichung des Lichtbildes, auf dem der Kläger deutlich zu erkennen ist, stellt eine Verletzung seines Rechts am eigenen Bild dar, denn er war keine relative Person der Zeitgeschichte. Der Begriff der Zeitgeschichte ist nicht gegenstandsbezogen, etwa allein auf Vorgänge historischer oder politischer Bedeutung, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen. Da der Presse als Ausdruck der Pressefreiheit die Entscheidung obliegt, über welche Teile des Zeitgeschehens sie informiert, andererseits die Pressefreiheit aber Schranken in den Rechten der Abgebildeten finden kann, erfordert die Ausfüllung des Begriffs der Person der Zeitgeschichte eine einzelfallbezogene Abwägung. Bildveröffentlichungen sind nur insoweit als gerechtfertigt anzusehen, als dem Publikum sonst Möglichkeiten der Meinungsbildung vorenthalten werden.
Hier unterfallen sowohl der Bericht im Magazin über das „Bordsteinduell“ als auch die Illustration des Berichts durch Bildveröffentlichungen dem Schutz des Artikel 5 Abs. 1 GG. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob auch die vom Kläger beanstandete identifizierbare Abbildung seiner Person rechtmäßig ist. Selbst wenn es nämlich der Beklagten um eine sozialkritische Berichterstattung über die Arbeit von Straßenmusikern gegangen sein sollte, ist nicht erkennbar, welchen Beitrag dazu die identifizierbare Abbildung des Klägers leistete. Es kam auf die Person des Klägers überhaupt nicht an, sondern auf die allgemeine Aussage, dass Straßenmusiker regelmäßig von ihren Auftrittsorten vertrieben werden. Es wäre mangels Einverständnisses des Klägers ohne Problem möglich gewesen, seine Person mit üblichen Mitteln der Bildberichterstattung unkenntlich zu machen. Das Interesse, den Kläger als denjenigen zu identifizieren, dem das Missgeschick passiert ist, entweder eine berühmte Persönlichkeit nicht erkannt oder gerade auch gegenüber einer solchen Berühmtheit auf einer Weisung seines Chefs bestanden zu haben, betrifft keine die Öffentlichkeit berührende Frage.
Die Beklagte ist aufgrund der rechtswidrigen Bilderstattung zur Zahlung einer angemessenen Geldentschädigung verpflichtet. Auch in der hier betroffenen Sozialsphäre des Klägers wird die Würde der Person vom Grundgesetz geschützt. In diesen Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts greift die Bildberichterstattung in schwerwiegender Weise ein, denn die Darstellung des Klägers wird von erheblichen Teilen der durchschnittlichen Leserschaft nicht nur mit menschlicher Anteilnahme, sondern eher mit Spott und Schadenfreude aufgenommen, denn der Wortbericht unterstellt dem Kläger durch die gewählten Formulierungen und die ironische Art der Darstellung Humorlosigkeit und subalterne Sturheit. Die angemessene Entschädigung hat das Oberlandesgericht mit dem Landgericht in Höhe von 2.000 Euro festgesetzt. Die Revision ist nicht zugelassen worden.
Scheel-Pötzl empfahl, das Urteil zu beachten und bei ähnlichen Fällen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen und verwies in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de –
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