(Kiel) Das Landgericht Hamburg hat am 23.06.2009 der ersten Schadensersatzklage eines geschädigten Anlegers gegen die Hamburger Sparkasse wegen des Erwerbs von Lehman Brothers-Zertifikaten stattgegeben.
Die Hamburger Sparkasse habe ihre Beratungspflicht verletzt. Diese Pflichtverletzung sei ursächlich für die Anlageentscheidung des pensionierten Lehrers und damit für seinen späteren Schaden in Höhe von rund € 10.000,- gewesen.
Darauf verweist der Hamburger Rechtsanwalt Matthias W. Kroll, LL.M., Leiter des Fachausschusses „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“ der DASV Deutschen Anwalt- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 23.06.2009 zu dem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg, Az: 310 O 4/09.
Nach Feststellung des Gerichts habe die Hamburger Sparkasse ihre Beratungspflicht verletzt. Diese Pflichtverletzung sei ursächlich für die Anlageentscheidung des pensionierten Lehrers und damit für seinen späteren Schaden in Höhe von rund € 10.000,- gewesen, betont Kroll.
Der zuständige Richter der Zivilkammer 10 des Landgerichts Hamburg habe das Urteil am 23.06.2009 mündlich im Wesentlichen wie folgt begründet:
„Die Beklagte hat ihre Pflicht zur anlagegerechten Beratung aus dem mit dem Kläger geschlossenen Beratungsvertrag schuldhaft verletzt und dadurch einen Schaden des Klägers in Höhe von gut € 10.000,00 verursacht.
Eine Pflichtverletzung folgt allerdings nicht daraus, dass die Beklagte den Kläger nicht über das Insolvenzrisiko von Lehman Brothers aufgeklärt hat. Denn zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs im Dezember 2006 war dieses Risiko für die Beklagte nicht erkennbar oder daher rein theoretischer Natur. Die Beklagte hat es jedoch pflichtwidrig unterlassen, den Kläger über die fehlende Einlagensicherung und die Höhe der Gewinnmarge sowie ihr eigenes wirtschaftliches Risiko beim Absatz des Zertifikats aufzuklären. Hierbei handelt es sich um für die Anlageentscheidung eines Bankkunden bedeutende Umstände. Hinsichtlich der Pflicht zur Aufklärung über die Gewinnmarge hat das Landgericht die BGH-Rechtsprechung zu den verdeckten Innenprovisionen (sog. „Kick Backs“) entsprechend angewandt, weil insoweit eine vergleichbare Interessenlage besteht. In beiden Fallkonstellationen (Provisionszahlung und Gewinnmarge) geht es darum, dass dem um Beratung nachsuchenden Bankkunden ein wirtschaftliches Eigeninteresse der Bank nicht verschwiegen werden darf. Weil die Beklagte in größerem Umfang Lehman-Zertifikate erworben hatte und nur gegen einen Abschlag an Lehman Brothers hätte zurückgeben dürfen, bestand für sie ein besonderer Anreiz zur Empfehlung gerade dieses Produkts. Diese Interessenlage begründet in besonderer Weise eine Aufklärungspflicht.
Das Landgericht geht weiter davon aus, dass die unterlassene Aufklärung für die Anlageentscheidung des Klägers und damit seinen späteren Schaden auch kausal geworden ist. Dabei streitet für den Kläger eine Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Danach muss die Bank immer dann, wenn – wie hier – eine Aufklärungspflichtverletzung feststeht, beweisen, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte. Diesen Beweis hat die Beklagte nicht führen können. Zwar hat sie eine Vielzahl von Umständen vorgetragen, die für sich genommen durchaus den Schluss erlauben würden, dass der Kläger beim Kauf des Lehman-Zertifikats geblieben wäre. Der Kläger hat jedoch seinerseits – insbesondere auch in seiner persönlichen Anhörung durch das Gericht – plausibel darlegen können, dass er bei Kenntnis der vorgenannten Umstände vom Erwerb des Lehman-Zertifikats Abstand genommen hätte.“
Dieser Entscheidung, so Kroll, liegt folgender Sachverhalt und Vortrag der Parteien zu Grunde:
Der Kläger, ein pensionierter Lehrer, erwarb im Dezember 2006 für gut € 10.000,00 Zertifikate der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers. Wegen der Insolvenz von Lehman Brothers im September 2008 steht fest, dass der Kläger sein investiertes Kapital nicht zurückerhalten wird. Er nimmt deshalb die Beklagte wegen der Verletzung von Beratungspflichten in Anspruch.
Er behauptet, von der Beklagten pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt worden zu sein, dass er beim Erwerb eines Zertifikats das Insolvenzrisiko des Emittenten zu tragen habe. Er ist weiter der Ansicht, dass ihn die Beklagte darüber hätte aufklären müssen, dass beim Erwerb eines ausländisches Zertifikats nicht die Einlagensicherung der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe eingreife und dass die Beklagte ihm die von ihr erzielte Gewinnmarge hätte offen legen müssen, damit er hätte beurteilen können, ob die Beklagte bei der Empfehlung des Zertifikats in seinem oder überwiegend in ihrem eigenen Interesse an einem möglichst hohen Gewinn handelte.
Die Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, den Kläger ordnungsgemäß aufgeklärt zu haben. Hinweise auf eine spätere Insolvenz von Lehman Brothers hätten zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs im Dezember 2006 nicht bestanden. Über das allgemeine Emittentenrisiko sei der Kläger bereits in früheren Beratungsgesprächen aufgeklärt worden. Eine Pflicht zur Aufklärung über die fehlende Einlagensicherung habe nicht bestanden. Zum einen sei es für den Kläger offenkundig, dass ein ausländisches Zertifikat nicht von der deutschen Einlagensicherung erfasst sein könne, zum anderen sei es dem Kläger hierauf bei seiner Anlageentscheidung auch gar nicht angekommen.
Im Vordergrund habe hier das Ziel einer attraktiven Verzinsung bei möglichst geringem Kapitalrisiko gestanden. Lehman Brothers habe im Jahr 2006 noch über ein exzellentes Rating verfügt und begründete Zweifel an der Bonität hätten nicht bestanden. Es habe auch keine Aufklärungspflicht über die zu den Betriebsgeheimnissen gehörende Gewinnmarge bestanden. Diese sei zum einen deutlich niedriger gewesen, als es sich der Kläger vorgestellt habe. Zum anderen habe eine derartige Aufklärungspflicht nach der bisherigen Rechtsprechung nicht bestanden und folge insbesondere nicht aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Aufklärungspflicht über verdeckte Innenprovisionen. Denn während Innenprovisionen von einem Dritten (meist einem Fondsanbieter) gezahlt würden, läge hier nur eine Zweierbeziehung zwischen Kunde und Bank vor, in deren Rahmen eine Aufklärung nicht geschuldet sei.
Gegen dieses Urteil kann die Hamburger Sparkasse innerhalb eines Monats ab Zustellung des schriftlichen Urteils Berufung beim Hanseatischen Oberlandesgericht einlegen.
Soweit sich ein Kunde nicht richtig beraten fühle, sollte er sich unbedingt von einem auf Beraterhaftung spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen, empfiehlt Kroll und verweist dazu u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de –
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Matthias W. Kroll, LL.M.
Rechtsanwalt/Master of Insurance Law
Leiter des Fachausschusses XIV „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“
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