(Kiel) Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit dem Präparat „Ukrain“ sind einkommensteuerlich mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastungen in Form von Krankheitskosten abzugsfähig.
Dies, so der Kieler Steuerberater Jörg Passau, Vizepräsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, ist der Tenor eines am 18.03.2009 veröffentlichten Urteils des Niedersächsischen Finanzgerichts (AZ.: 11 K 490/07).
In dem Fall war die Anerkennung von Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehr¬therapie als außergewöhnliche Belastungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2006 streitig. Im August 2006 wurde bei der Ehefrau des Klägers eine Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse diagnostiziert und bereits am 21. August 2006 eine Bauchoperation zur chirurgischen Entfernung des Tumors und seiner regionären Lymphknotenmetastasen durchgeführt. Im Anschluss an die Operation entschied sie sich an Stelle der ihr von dem Krankenhaus angebotenen konventionellen Chemotherapie für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit dem Präparat Ukrain und in Kombination mit einer Sauerstoff-Mehrschritt¬therapie sowie einer Ozon-Sauerstoff¬behandlung. Hierfür zahlten die Eheleute im Veranlagungszeitraum 30.000,00 € an den behandelnden Hausarzt.
Ausweislich einer Stellungnahme dieses Arztes war eine nach internationaler Therapieempfehlung in der Situation der Ehefrau durchzuführende Kombinationschemotherapie infolge ihres operationsbedingt geschwächten Gesundheitszustandes und einer Tumorkachexie nicht möglich. Er bescheinigte ihr zudem, dass sich ihr Allgemeinzustand unter der Behandlung zunehmend verbessere und die Durchführung der immunbiologischen Krebsabwehrtherapie weiterhin medizinisch notwendig sei. Die bei der Krankenkasse beantragte Erstattung der Aufwendungen wurde unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) vom 14. November 2006 abgelehnt.
In einer im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgelegten amtsärztlichen Stellungnahme vom 26. Juni 2007 kam der Amtsarzt zu folgendem Ergebnis:
„Diese Untersuchungen legen die Möglichkeit sehr nahe, dass Ukrain zukünftig mög¬licherweise eine interessante Medikation für die Onkologie werden könnte. … Soweit sich jemand bei fraglicher Effektivität schulmedizinischer Behandlungsmöglichkeiten auch zur Vermeidung Lebensqualität reduzierender Nebenwirkungen dann für einen alternativ medizinischen Behandlungsweg einer immunbiologischen Krebsabwehrtherapie entscheidet, sehe ich amtsärztlicherseits vergleichbar die Voraussetzungen für die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz als gegeben an.“
Das Finanzamt lehnte gleichwohl eine Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhn¬liche Belastung ab. Hiergegen richtet sich die Klage.
Damit, so Passau, hatte der Kläger jedoch auch vor dem Niedersächsischen Finanzgericht ebenfalls keinen Erfolg. Die Klage sei unbegründet. Die Kosten für die immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit Ukrain seien nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) berücksich¬tigungsfähig.
Nach § 33 Abs. 1 EStG werde die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen erwachsen nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.
In ständiger Rechtsprechung gehe der BFH davon aus, dass Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Steuerpflichtigen aus tatsäch¬lichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Der BFH unterscheide dabei zwischen unmittelbaren Krankheitskosten, die zum Zweck der Heilung und zumindest mit dem Ziel gemacht werden, die Krankheit erträglicher zu machen und solchen Aufwendungen, die lediglich allgemein der Vorbeugung oder Erhaltung der Gesundheit dienen. Bei letzteren muss regelmäßig durch ein vor Beginn der Behandlung erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen werden, dass es sich im konkreten Fall um eine krankheitsbedingte Heilmaßnahme handelt.
Im Falle einer plötzlich diagnostizierten und zudem lebensbedrohenden Krebserkrankung könne der Nachweis der medizinischen Indikation ausnahmsweise durch ein nachträglich erstelltes Sachverständigengutachten erbracht werden, da die Einholung eines vorherigen amtsärztlichen Attests dem Betroffenen in dieser besonderen Situation weder möglich noch zuzumuten sei.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand für den Senat jedoch fest, dass eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie die Anforderungen zur Anerkennung als Krankheitskosten nicht erfülle. Eine typisierende Betrachtung, d.h. eine Berücksichtung der Aufwendungen für die immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit Ukrain ohne weitere Prüfung, komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Bei der Behandlung mit Ukrain handele es sich gerade nicht um eine allgemein anerkannte Methode. Von maßgeblichen wissenschaftlichen Fachgesellschaften sowie der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft ebenso wie der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte werde Ukrain als Mittel in der Krebstherapie abgelehnt. Es sei somit nicht offensichtlich, dass es sich um eine Heilbehandlung handele. Das Mittel Ukrain sei zudem weder in Deutschland noch in anderen europäischen Ländern zugelassen.
Die Anerkennung der Aufwendungen für die immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit Ukrain scheitere daran, dass der Nachweis der medizinischen Indikation von dem Kläger nicht erbracht werden konnte. Der Nachweis der medizinischen Indikation sei auch durch das während des Klageverfahrens eingeholte klinisch-pharmakologische Sachverständigengutachten nicht erbracht worden.
Gegen das Urteil wurde Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt.
Passau empfahl, dieses Urteil und die weitere Entwicklung in dem Verfahren zu beachten und ggfs. steuerlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.
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