(Kiel) Die Lage ist unverändert ernst. Die Infektionszahlen steigen, das soziale Leben steht still, die deutsche Wirtschaft ächzt unter den aktuellen Verboten und Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie, insbesondere der Einzelhandel nicht systemrelevanter Branchen ist auf behördliche Anordnung geschlossen.

Alle reden daher jetzt von bereits staatlichen beschlossenen Sofortmaßnahmen und Hilfspaketen, von Kurzarbeit, Steuerstundung und von allgemeinen Sparmaßnahmen. Das Thema der finanziellen staatlichen Entschädigung von unwesentlichen Vermögensnachteilen aufgrund der behördlich angeordneten Ladenschließungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) tritt demgegenüber fast völlig in den Hintergrund. so der Saarbrücker Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuer- sowie Handels- und Gesellschaftsrecht Arnd Lackner, Landesregionalleiter Saarland der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel.

Die einschlägigen Allgemeinverfügungen als auch die entsprechenden Rechtsverordnungen der Länder zur Bekämpfung der Corona-Pandemie stützen die aktuellen Betriebsverbote in der Regel auf § 28 IfSG. Dies aus gutem Grund, da die in § 28 IfSG vorgesehenen Maßnahmen der Infektionsbekämpfung von den Betroffenen entschädigungslos hinzunehmen sind. Bereits der Tatbestand des § 28 IfSG als Anspruchsgrundlage für die aktuellen Betriebsverbote ist aber zweifelhaft, da dort lediglich Maßnahmen der sog. Infektionsbekämpfung vorgesehen sind, die einen „Störer“ voraussetzen, d. h. eine bezogen auf den Einzelfall konkrete Krankheitsquelle. Jeder Einzelhändler sollte sich daher die Frage stellen, ob der behördlich angeordneten Schließung seines Ladens oder seiner Verkaufsfiliale ein Infektionsfall etwa unter seinen Mitarbeitern oder eine sonstige Feststellung durch die zuständige Gesundheitsbehörde zugrunde liegt. In der Regel wird diese Frage mit einem klaren Nein zu beantworten sein, sondern die Ladenschließung erfolgte aufgrund eines allgemeinen und pauschalen Betriebsverbotes für alle Händler. Entsprechend finden sich auch in den einschlägigen Rechtsverordnungen und Allgemeinverfügungen der Länder Begründungen wie „ist es erforderlich, die Ladengeschäfte des Einzelhandels zu schließen, da sonst über die dortigen Kontakte die Weiterverbreitung des Virus erfolgt“.

Bei den aktuell angeordneten pauschalen Betriebsverboten handelt es sich daher nach dem Gesetzeswortlaut zumindest nicht nur um entschädigungsfreie Maßnahmen der sog. Infektionsbekämpfung nach § 28 IfSG, sondern zumindest auch um Maßnahmen der sog. Infektionsprophylaxe, die ausschließlich in § 28 IfSG geregelt sind und im Gegensatz zur Infektionsbekämpfung eine staatliche Entschädigungspflicht gegenüber den Betroffenen auslösen.

Die damit maßgebende Abgrenzungsfrage der Infektionsbekämpfung von der Infektionsprophylaxe ist bezogen auf eine mögliche Entschädigungspflicht gerichtlich noch nicht entschieden. Bezogen auf eine generelle gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit von Corona-Allgemeinverfügungen haben einzelne Gerichte bereits – ohne nähere Begründung – § 28 IfSG als Rechtsgrundlage anerkannt (vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 30. März 2020, 20 CS 20.611). Etwa der VGH Baden-Württemberg erachtet in seinem Beschluss vom 9. April 2020 im Eilverfahren 1 S 925/20 präventive Maßnahmen nach § 28 Abs. 1 IfSG auch gegenüber sog. Nichtstörern für zulässig und bestätigt damit aber, dass es sich bei den angeordneten Betriebsschließungen – zumindest auch – um Maßnahmen der Infektionsprophylaxe handelt, die jedoch nach § 65 IfSG entschädigungspflichtig sind.

  • Fazit:

Die Grenze zwischen Maßnahmen der Infektionsbekämpfung und der Infektionsprophylaxe ist fließend. Nach dem Gesetzeswortlaut ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass betroffenen Einzelhändlern für die durch das allgemeine Betriebsverbot als Maßnahme der Infektionsprophylaxe verursachten wesentlichen Vermögensnachteile in dieser Zeit eine staatliche Entschädigung in Geld zu leisten ist. Die Höhe dieses Entschädigungsanspruchs richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts, d. h. der geschädigte Händler ist so zu stellen, wie er ohne die staatliche Anordnung der Betriebsschließung stehen würde. Zu denken ist hier in erster Linie an den durch die Betriebsschließung verursachten entgangenen Gewinn. Zu richten sind die Ansprüche gegen das jeweilige Land, in dem die Anordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erlassen wurde. Fachkundige Rechtsanwälte können helfen, diese Ansprüche zu beziffern und notfalls auch gerichtlich durchzusetzen.

Rechtsanwalt Lackner empfahl, dies zu beachten und in allen Zweifelsfragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei er in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  – verwies.

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Arnd Lackner

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