Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen die lediglich „gefährdet erscheinende“ wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines nach dem Tod des ursprünglichen Mieters in ein unbefristetes Mietverhältnis eingetretenen Mieters den Vermieter zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 563 Abs. 4 BGB berechtigt.
Sachverhalt und Prozessverlauf:
Die verstorbene Lebensgefährtin des Klägers war Mieterin einer Dreizimmerwohnung des Beklagten, die sie gemeinsam mit dem Kläger, bewohnte. Die monatliche Nettomiete belief sich auf 545 €; hinzu kamen Nebenkostenvorauszahlungen von etwa 170 € monatlich. Nach dem Tod der Mieterin teilte der sich in einem Ausbildungsverhältnis befindliche Kläger mit, er sei in seiner Eigenschaft als Lebensgefährte der Verstorbenen in das Mietverhältnis eingetreten. Daraufhin kündigte der Beklagte das Mietverhältnis gemäß § 563 Abs. 4 BGB unter Berufung auf einen in der Person des Klägers liegenden wichtigen Grund. Zur Begründung führte er unter anderem aus, aus dem vom Kläger bezogenen Ausbildungsgehalt sei die monatlich zu entrichtende Miete nebst Nebenkostenvorauszahlung auf Dauer nicht zu leisten.
Der Kläger widersprach der Kündigung und erklärte, er sei ohne weiteres in der Lage, die Miete und Nebenkostenvorauszahlungen entrichten zu können. Außerdem verlangte er die Zustimmung des Beklagten zu einer Untervermietung eines Teils der Wohnung (§ 553 Abs. 1 BGB) an einen Arbeitskollegen, der sich (ebenfalls) im zweiten Ausbildungsjahr befinde und ein Gehalt in gleicher Höhe beziehe. Die geplante Untervermietung hätte – so der Kläger – zugleich den Vorteil, dass sich sein Arbeitskollege an der Miete und den Nebenkosten sowie an Fahrtkosten zur Arbeitsstelle beteiligen würde. Der Beklagte verweigerte die begehrte Zustimmung und widersprach der Fortsetzung des Mietverhältnisses.
Das Amtsgericht hat seine Klage auf Zustimmung zur Untervermietung abgewiesen und der auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichteten Widerklage des Beklagten stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg, weil die „gefährdet erscheinende“ finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers den Beklagten nach Auffassung des Landgerichts zur außerordentlichen Kündigung nach § 563 Abs. 4 BGB berechtigt habe. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Klagebegehren weiter und begehrte daneben die Abweisung der auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichteten Widerklage.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass – entgegen einer verbreiteten Auffassung – eine drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit beziehungsweise eine „gefährdet erscheinende“ Leistungsfähigkeit eines nach dem Tod des ursprünglichen Mieters eingetretenen (neuen) Mieters nur in besonderen Ausnahmefällen als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 563 Abs. 4 BGB in Betracht kommt.
Tritt nach dem Tod des ursprünglichen Mieters eine der in § 563 Abs. 1 oder 2 BGB bezeichneten Personen in ein Mietverhältnis ein, kann der Vermieter dieses innerhalb eines Monats außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, wenn in der Person des Eingetretenen ein wichtiger Grund vorliegt (§ 563 Abs. 4 BGB). Dieser Grund muss so beschaffen sein, dass er dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar macht, was bei einer objektiv feststehenden Unfähigkeit des (neuen) Mieters zur vollständigen oder pünktlichen Leistung der Miete der Fall sein kann. Denn anders als bei der ursprünglichen Begründung des Mietverhältnisses überlässt das Gesetz im Fall des § 563 BGB nicht dem Vermieter die Auswahl des (neuen) Mieters. Aus diesem Grund kann es für einen Vermieter – abhängig von den jeweiligen vom Vermieter darzulegenden Umständen des Einzelfalls – unzumutbar sein, erst den Eintritt des Zahlungsverzugs mit den Kündigungsmöglichkeiten der § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB abwarten zu müssen, um dem eingetretenen Mieter hieraufhin kündigen zu können.
Eine zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung lediglich drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit beziehungsweise „gefährdet erscheinende“ Leistungsfähigkeit des Mieters kann allerdings nur in besonderen Ausnahmefällen eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter zu begründen. Ob eine drohende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit oder „gefährdet erscheinende finanzielle Leistungsfähigkeit“ vorliegt, ist – anders als bei feststehender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit – aufgrund einer Prognose zu beurteilen, die naturgemäß mit Unwägbarkeiten behaftet ist. Bei Fehleinschätzungen läuft der in das Mietverhältnis eingetretene (neue) Mieter aber Gefahr, sein von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie geschütztes Besitzrecht selbst dann zu verlieren, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass die Bedenken gegen seine Leistungsfähigkeit unberechtigt gewesen sind. Deshalb muss die auf eine bloß drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit oder „gefährdet erscheinende“ Leistungsfähigkeit des eingetretenen Mieters gestützte Unzumutbarkeit stets auf konkreten Anhaltspunkten und objektiven Umständen beruhen, die nicht bloß die Erwartung rechtfertigen, sondern vielmehr den zuverlässigen Schluss zulassen, dass fällige Mietzahlungen alsbald ausbleiben werden. Solche Anhaltspunkte fehlen dann, wenn Geldquellen vorhanden sind, die die Erbringung der Mietzahlungen sicherstellen, wie dies etwa bei staatlichen Hilfen oder sonstigen Einkünften (z.B. Untermietzahlungen; Unterstützung Verwandter; Nebentätigkeitsvergütungen) oder vorhandenem Vermögen der Fall ist.
Vorliegend hat das Berufungsgericht allein den Umstand, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung eine Ausbildungsvergütung bezog, für eine „gefährdet erscheinende“ finanzielle Leistungsfähigkeit ausreichen lassen, weil weder ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung noch eine abschließende Festanstellung absehbar seien und damit die Erbringung der Miete nicht dauerhaft gesichert sei. Mit dieser Sichtweise stellt es jedoch überhöhte Anforderungen an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines nach § 563 Abs. 1 oder 2 BGB in ein unbefristetes Mietverhältnis eingetretenen Mieters. Denn auch ein Vermieter, der mit einem von ihm selbst ausgewählten solventen Mieter einen unbefristeten Mietvertrag abschließt, kann bei Vertragsschluss regelmäßig nicht ausschließen, dass dessen finanzielle Leistungsfähigkeit durch zukünftige Entwicklungen (etwa durch Verlust des Arbeitsplatzes) herabgesetzt werden könnte.
Auch im Übrigen beruht die Annahme des Berufungsgerichts, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers sei nicht gesichert, auf reinen Mutmaßungen und nicht auf objektiven und belastbaren Anhaltspunkten. Vielmehr hat es wesentlichen Vortrag des Klägers zu seinen finanziellen Verhältnissen (Restvermögen, Anspruch auf Sozialleistungen) sowie den Umstand unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger während der bis dahin knapp zwei Jahre andauernden Nutzung der Wohnung die geschuldete Miete stets vollständig und pünktlich entrichtet hatte. Ebenfalls rechtfehlerhaft hat es überdies nicht in Betracht gezogen, dass der Kläger einen Teil der Mietwohnung einem Untermieter überlassen und hierdurch zusätzliche Einkünfte beziehen könnte. Denn die vom Kläger angeführten Gründe für sein Untervermietungsbegehren (Überlassung an Arbeitskollegen, damit dieser sich an Miet- und Fahrtkosten beteiligt) sind jedenfalls nach seinem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vortrag als berechtigtes Interesse im Sinne von § 553 Abs. 1 BGB anzuerkennen. Nach alledem hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und das Verfahren an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
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