Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 28.05.2024, AZ 13 TaBV 40/23
Ausgabe: 05-2024
1.
Anstelle der Arbeitspflicht tritt bei einem freigestellten Betriebsratsmitglied die Verpflichtung, während seiner arbeitsvertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats, dem er angehört, erforderliche Betriebsratsarbeit zu verrichten, bzw. anwesend zu sein um sich dort für anfallende Betriebsratsarbeit bereitzuhalten (vgl. BAG 10.07.2013 7 ABR 22/12 , Rn. 20, juris). Mithin darf es grundsätzlich auch nur solche Zeiten im Rahmen betrieblicher Arbeitszeiterfassung als Arbeitszeit dokumentieren. Entsprechendes gilt für die Zeiten, in denen das Betriebsratsmitglied aufgrund eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses außerhalb des Betriebs an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung i.S.v. § 37 Abs. 6 und Abs. 7 BetrVG tatsächlich teilnimmt oder sich hierfür bereitgehalten hat.
2.
Die Prüfung der Frage, ob eine Tätigkeit zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, obliegt auch dem einzelnen Betriebsratsmitglied. Ihm steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu. Es darf die Frage der Erforderlichkeit allerdings nicht allein nach seinem subjektiven Ermessen beantworten, sondern muss die Interessen des Betriebs einerseits und des Betriebsrats und der Belegschaft andererseits gegeneinander abwägen.
3.
Mit dem Beschluss zur Entsendung zu einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung i.S.v. § 37 Abs. 6 und Abs. 7 BetrVG, für welche der Arbeitgeber die Kosten einschließlich der Reise, der Unterbringung und der Verpflegung übernimmt, konkretisiert der Betriebsrat die dem entsandten Mitglied obliegende Betriebsratstätigkeit für den fraglichen Zeitraum. Die Teilnahme an der Veranstaltung hat für das entsandte Betriebsratsmitglied damit grundsätzlich Vorrang vor anderen Betriebsratsaufgaben. Für ein Verlassen der Veranstaltung und eine Verrichtung anderer Betriebsratsarbeit außerhalb des Betriebes und außerhalb des Veranstaltungsortes bedarf es gewichtiger Gründe.
4.
Gibt das auf eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung i.S.v. § 37 Abs. 6 und Abs. 7 BetrVG entsandte Betriebsratsmitglied nachträglich im Rahmen betrieblicher Arbeitszeiterfassung bewusst Zeiten als Arbeitszeit an, von denen es weiß, dass es weder an der Schulungsveranstaltung teilgenommen hat, noch andere erforderliche Betriebsratstätigkeiten verrichtet hat, um auf diese Weise eine Amtspflichtverletzung vor dem Arbeitgeber zu verheimlichen und eine ihm nicht zustehende Vergütung bzw. Zeitgutschrift zu erhalten, kann die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung durch die Arbeitgeberin nach § 103 BetrVG zu ersetzen sein.
Weitere Informationen: https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/do…