Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 04.12.2024, AZ 9 AZR 71/24

Ausgabe: 11/2024

Der im Tarifvertrag für energie- und wasserwirtschaftliche Unternehmungen geregelte Ausschluss von Arbeitnehmern, die sich in der Passivphase ihrer Altersteilzeit befinden, vom Bezug einer Inflationsausgleichsprämie ist unwirksam.

Der Kläger ist Arbeitnehmer eines Unternehmens der Energiewirtschaft. Er vereinbarte mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten Altersteilzeit im Blockmodell mit Beginn der Passivphase am 1. Mai 2022.

Der Arbeitgeberverband energie- und wasserwirtschaftlicher Unternehmungen e.V. einigte sich mit den Gewerkschaften ver.di und IG BCE anlässlich der Tarifrunde 2023 in dem „Tarifvertrag über eine einmalige Sonderzahlung gemäß § 3 Nr. 11c Einkommenssteuergesetz“ (TV IAP) auf die Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie, die unabhängig vom individuellen Beschäftigungsgrad 3.000,00 Euro beträgt. Es handelt sich nach der Protokollnotiz zum TV IAP um eine Beihilfe bzw. Unterstützung des Arbeitgebers zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise. Von der Zahlung sind gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 TV IAP ua. Arbeitnehmer ausgeschlossen, die sich am 31. Mai 2023 in der Passivphase der Altersteilzeit oder im Vorruhestand befanden.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Inflationsausgleichsprämie iHv. 3.000,00 Euro. Er hat ua. die Auffassung vertreten, der Anspruchsausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit stelle eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen der Teilzeit dar. Die Inflationsausgleichsprämie werde ausschließlich als Leistung zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise gezahlt und verfolge daneben keinen arbeitsleistungsbezogenen Zweck.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senats des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Beklagte ist zur Zahlung der streitgegenständlichen Prämie verpflichtet.

Der Ausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit durch § 1 Abs. 2 Satz 3 TV IAP verstößt gegen § 4 Abs. 1 TzBfG. Danach darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.

Eine Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. In der Bestimmung des Leistungszwecks sind die Tarifvertragsparteien dabei gemäß Art. 9 Abs. 3 GG weitgehend frei. Mit der Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 3 TV IAP haben sie ihre durch § 4 Abs. 1 TzBfG begrenzte Rechtsetzungsbefugnis überschritten. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern aufgrund der Freistellung in der Altersteilzeit gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten lässt sich aus den erkennbaren Leistungszwecken und dem Umfang der Teilzeitarbeit nicht herleiten. Die Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen steht der Annahme entgegen, dass es sich bei der Inflationsausgleichsprämie auch um eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit handelt. Auch in Bezug auf die vergangene Betriebstreue sind keine Aspekte ersichtlich, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Von einer zukünftigen Betriebstreue haben die Tarifvertragsparteien den Anspruch nicht abhängig gemacht. Unterschiede für einen unterschiedlichen Bedarf aufgrund der gestiegenen Verbraucherpreise zwischen Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten, die sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden, sind nicht erkennbar.

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