(Kiel) Der Europäischer Gerichtshof (EuGH) hat am 09.07.2009 entschieden, dass die Fluggäste eines innergemeinschaftlichen Fluges ihre Klage auf pauschalen Ausgleich im Fall einer Annullierung beim Gericht des Abflug- oder des Ankunftstorts erhoben werden kann.

Darauf verweist der Kieler Rechtsanwalt Jens Klarmann, Landesregionalleiter „Schleswig-Holstein“ der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf das am 09.07.2009 veröffentlichte Urteil des EuGH in der Rechtssache C-204/08.


Ausschlaggebend für die Wahl des zuständigen Gerichts sind weder der Ort des Geschäftssitzes der Gesellschaft, die den Flug durchführt, noch der Ort, an dem der Vertrag über die Beförderung im Luftverkehr geschlossen wurde.


Die Verordnung über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste sieht vor, dass Fluggäste bei Annullierung eines Fluges eine pauschale Ausgleichszahlung zwischen 250 und 600 Euro erhalten können. Weigert sich bei einem innergemeinschaftlichen Flug die Fluggesellschaft, den pauschalen Ausgleich zu zahlen, so stellt sich die Frage, ob der betroffene Fluggast nach der Gemeinschaftsverordnung über die gerichtliche Zuständigkeit neben dem Gericht, in dessen Zuständigkeitsbereich sich der Geschäftssitz dieser Gesellschaft befindet, auch ein Gericht in einem anderen Mitgliedstaat anrufen kann.


Herr Rehder, der seinen Wohnsitz in München hat, hatte bei Air Baltic, deren Geschäftssitz sich in Riga (Lettland) befindet, einen Flug von München nach Vilnius gebucht. Etwa 30 Minuten vor dem geplanten Start in München wurden die Fluggäste über die Annullierung ihres Fluges unterrichtet. Nach entsprechender Umbuchung durch Air Baltic flog der Kläger über Kopenhagen nach Vilnius.


Mit Klage beim Amtsgericht Erding, in dessen Zuständigkeitsbereich der Flughafen München liegt, begehrte Herr Rehder, Air Baltic zu verurteilen, ihm nach der Verordnung über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste Ausgleich in Höhe von 250 Euro zu zahlen, so Klarmann.


Das Amtsgericht Erding erklärte sich für die Klage von Herrn Rehder auf Ausgleichszahlung für zuständig und begründete dies damit, dass Dienstleistungen im Luftverkehr am Abflugort erbracht würden, dass also der Ort des Abflugflughafens der Erfüllungsort der vertraglichen Verpflichtung im Sinne der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit sei.


Nachdem diese Entscheidung auf die von Air Baltic eingelegte Berufung hin mit der Begründung aufgehoben worden war, dass das Gericht des Geschäftssitzes der Fluggesellschaft zuständig sei, rief Herr Rehder den Bundesgerichtshof an. Diesem stellt sich die Frage, ob nicht die speziell für Verträge vorgesehene gerichtliche Zuständigkeit bei Rechtsstreitigkeiten aufgrund eines Vertrags über eine Beförderung im internationalen Luftverkehr grundsätzlich an einem Erfüllungsort zu konzentrieren sei.


In seinem heutigen Urteil führt der Gerichtshof aus, dass im Fall mehrerer, in verschiedenen Mitgliedstaaten gelegener Orte, an denen die Dienstleistungen erbracht werden, der Ort zu bestimmen ist, an dem die engste Verknüpfung zwischen dem fraglichen Vertrag und dem zuständigen Gericht besteht, insbesondere der Ort, an dem nach dem Vertrag die Hauptdienstleistung zu erbringen ist, betont Klarmann.


Der Ort des Sitzes oder der Hauptniederlassung der betroffenen Fluggesellschaft weist nicht die erforderliche enge Verbindung mit dem Vertrag auf. Die Operationen und Handlungen, die von diesem Ort aus unternommen werden, wie etwa die Bereitstellung eines angemessenen Flugzeugs mit entsprechender Besatzung, stellen nämlich logistische Vorbereitungshandlungen für die Durchführung des Vertrags über die Beförderung im Luftverkehr dar und keine Dienstleistungen, deren Erbringung in Zusammenhang mit dem Inhalt des Vertrags im eigentlichen Sinne stünde. Ebenso verhält es sich mit dem Ort, an dem der Vertrag über die Beförderung im Luftverkehr abgeschlossen wurde, und dem der Aushändigung des Flugscheins.


Bei den Dienstleistungen, die in Erfüllung der Verpflichtungen aus einem Vertrag über die Beförderung von Personen im Luftverkehr erbracht werden, handelt es sich nämlich um die Abfertigung und das Anbordgehen der Fluggäste sowie ihren Empfang an Bord des Flugzeugs an dem im fraglichen Beförderungsvertrag vereinbarten Abflugort, den Start der Maschine zur vorgesehenen Zeit, die Beförderung der Fluggäste und ihres Gepäcks vom Abflugort zum Zielort, die Betreuung der Fluggäste während des Fluges und schließlich das sichere Verlassen des Flugzeugs durch die Fluggäste am Ort der Landung zur im Vertrag vereinbarten Zeit.


Die einzigen Orte, die eine unmittelbare Verbindung zu den genannten Dienstleistungen aufweisen, die in Erfüllung der Verpflichtungen entsprechend dem Gegenstand des Vertrags erbracht werden, sind der Ort des Abflugs und der Ort der Ankunft des Flugzeugs, wobei unter den Begriffen „Ort des Abflugs und Ort der Ankunft“ die Orte zu verstehen sind, die in dem fraglichen, mit einer einzigen Fluggesellschaft, dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, geschlossenen Vertrag vereinbart wurden.


Jeder dieser beiden Orte weist eine hinreichende Nähe zum Sachverhalt des Rechtsstreits auf, so dass an beiden Orten die enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht besteht. Folglich kann eine Klage auf Ausgleichszahlung aufgrund der Annullierung eines Fluges nach Wahl des betroffenen Fluggasts bei dem Gericht, in dessen Zuständigkeitsbereich der Abflugort liegt, oder bei dem für den Ankunftsort zuständigen Gericht erhoben werden.


Klarmann empfahl, dieses Urteil zu beachten und ggfs. rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.


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Jens Klarmann
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Fachanwalt für Arbeitsrecht
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