(Kiel) Ende 2009 wird so manches Bankhaus nicht mehr das sein, was es noch im letzten Jahr war. Auf Fusionen oder Übernahmen, wie z. B. die der Dresdner Bank durch die Commerzbank, werden weitere Restrukturierungen folgen. Drastischer Personalabbau mit dem Ziel der Kostenreduzierung ist oft die Konsequenz. Bei der Dresdner-Bank-Übernahme sollen allein in Deutschland 6.500 Stellen entfallen.
Im vorstandsnahen Management wird früher und prozentual stärker Personal abgebaut als bei den Tarifangestellten, um eine Aufblähung der strategischen Bereiche zu vermeiden, betont der Frankfurter Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Norbert Pflüger von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit sitz in Kiel. Die Personalabteilungen treten meist früh an die Führungskräfte heran, um sie zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu bewegen. Diese sollten spätestens jetzt wissen, wie sie sich gegen eine Freisetzung, Degradierung oder Änderungskündigung wehren und ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Unternehmen stärken können.
• Leitende Angestellte besonders betroffen
Ist der Betroffene leitender Angestellter im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG, wird dem Unternehmen die Freisetzung erleichtert. Führungskräfte erfüllen die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 KSchG dann, wenn sie zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind. Diese Befugnis muss im Innen- und im Außenverhältnis bestehen. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber einen nicht näher zu begründenden Auflösungsantrag stellen. In der Folge hat das Arbeitsgericht dann das Arbeitsverhältnis gegen Festsetzung einer Abfindung aufzulösen. Das Gericht darf aber höchstens einen Betrag von zwölf Monatsverdiensten festsetzen. Nur bei Arbeitnehmern, die bereits fünfzig Jahre alt sind, können die Höchstbeträge auf bis zu achtzehn Monatsverdienste steigen. Solche Abfindungssätze liegen weit unter den Beträgen, die in freien Verhandlungen mit den Banken erzielt werden.
Eine arbeitsrechtliche Schwächung des Betroffenen tritt weiter ein, wenn dieser als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG nicht vom Betriebsrat vertreten wird, so Pflüger. Der Begriff des leitenden Angestellten nach dem Betriebsverfassungsgesetz ist weiter gefasst als der nach dem Kündigungsschutzgesetz. Zu leitenden Angestellten gehören neben Einstellungs- und Entlassungsberechtigten auch Personen, die Prokura oder Generalvollmacht haben oder Aufgaben wahrnehmen, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 und 3 BetrVG). Solche leitenden Angestellten partizipieren nicht an einem vom Betriebsrat ausgehandelten Sozialplan. Auch auf Grund des Gleichbehandlungsgrundsatzes steht ihnen kein Anspruch auf Sozialplanabfindung zu. Außerdem ist das Unternehmen nicht verpflichtet, vor Ausspruch einer Änderungskündigung den Betriebsrat anzuhören.
• Sozial ungerechtfertigte Kündigungen
Führungskräfte können sich allerdings wie jeder Arbeitnehmer auf das Kündigungsschutzgesetz berufen, auch wenn der Betriebsrat nicht für sie zuständig ist. Sie genießen in vollem Umfang Schutz gegen sozial ungerechtfertigte Kündigungen. Die Bank muss also für jede Kündigung betriebsbedingte Gründe nachweisen. Damit ergeben sich drei Voraussetzungen für eine wirksame (Änderungs)-Kündigung:
• Erstens muss der Arbeitsplatz entfallen sein,
• zweitens dürfen im Unternehmen keine freien Stellen vorhanden sein
• und drittens muss die Bank eine Sozialauswahl unter vergleichbaren Arbeitnehmern durchführen.
Im Fusionsgeschehen ist bereits fraglich, ob der Arbeitsplatz einer Führungskraft entfällt, bloß weil ein anderer Mitarbeiter unter Leistungsgesichtspunkten die Stelle besetzen soll. Betroffene sollten sehr genau kontrollieren, ob sich ihr Stellenprofil tatsächlich verändert. Ist dies nicht der Fall, lässt sich ein Arbeitsplatzwegfall nicht begründen. Kein Betroffener ist zudem verpflichtet, sich auf seine eigene Stelle im Rahmen eines Auswahlverfahrens zu bewerben, selbst wenn ein solches Verfahren mit dem Betriebsrat in einem Interessenausgleich festgelegt wurde.
Erweist es sich im Zuge der Fusion als richtig, dass alle vorstandsnahen Führungspositionen neu konzipiert werden, steht zunächst fest, dass alle entsprechenden Stellen unbesetzt sind. Der Betroffene kann also gegen die Änderungskündigung mit der Möglichkeit der Weiterbeschäftigung argumentieren. Die Neubesetzung der vorstandsnahen Positionen darf zudem nicht allein nach Leistungsgesichtspunkten vorgenommen werden. Eine Beachtung sozialer Belange ist auch für die Besetzung freier Stellen vorgeschrieben (vgl. BAG, Urt. v. 22.09.2005, 2 AZR 544/05). Das heißt: Ältere Arbeitnehmer mit längerer Berufserfahrung sind bei vorhandener Eignung vor einem jüngeren Arbeitnehmer zu berücksichtigen.
• Sozialauswahl
In die Sozialauswahl sind schließlich nur Beschäftigte einzubeziehen, die innerhalb eines Betriebs tätig und miteinander austauschbar sind. Von diesen müssen bei einem fusionsbedingten Überhang nur diejenigen weichen, die infolge Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen sozial weniger schutzwürdig sind. Dies ist eine gute Argumentationsgrundlage für ältere Mitarbeiter mit längerer Betriebszugehörigkeit. Allerdings ist die übernehmende Bank solange in einem gewissen Vorteil, als sie die betrieblich-organisatorischen Strukturen noch nicht zusammengeführt hat.
Für die Banken zeichnet sich damit die Schwierigkeit ab, einen fusionsbedingten Arbeitskräfteüberhang durch Änderungskündigungen rechtssicher umzusetzen. Das dürfte die Neigung fördern, Führungskräfte durch Nichtbeschäftigung „weichzukochen”. Der Nichtbeschäftigung können sich die Beschäftigten unter Berufung auf den Weiterbeschäftigungsanspruch entgegenstellen. Solange das Arbeitsverhältnis ungekündigt besteht, ist der Arbeitgeber zur vertragsgemäßen Beschäftigung des Arbeitnehmers verpflichtet (BAG [Großer Senat], Beschl. v. 27. 2. 1985, GS 1/84). Der entsprechende Anspruch kann auch mittels einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden.
Pflüger empfahl, in solchen Situationen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen und verwies in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de –
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