Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.05.2023, AZ 12 Sa 3/23
Ausgabe: 05-2023
1. Es ist nicht Sinn und Zweck von § 62 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ArbGG i.V.m. §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO, unter Heranziehung desselben Sachverhalts aus dem Erkenntnisverfahren erster Instanz einen dort im Wege der Interessenabwägung bejahten Anspruch auf Weiterbeschäftigung nunmehr in Abrede zu stellen. Die inhaltliche Überprüfung dieser Interessenabwägung bleibt vielmehr grundsätzlich dem Berufungsverfahren vorbehalten.
2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nur dann, wenn die Erfolgsaussichten der Berufung ganz offenkundig sind. Denn es wäre treuwidrig, eine ganz offenkundig nicht bestehende, aber dennoch titulierte Verpflichtung zwangsweise vorläufig durchzusetzen (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est).
3. Ein „bloßes“ offenkundiges Begründungsdefizit der erstinstanzlichen Entscheidung steht der offenkundigen Ergebnisfehlerhaftigkeit nicht gleich. Der dolo-agit-Einwand greift hier nicht. Auch ein offenkundig falsch oder defizitär begründetes erstinstanzliches Urteil kann nach der gesetzlichen Konzeption schnell und unkompliziert durchsetzbarer arbeitsgerichtlicher Titel taugliche Vollstreckungsgrundlage sein, solange die offenkundige Ergebnisfehlerhaftigkeit nicht feststeht.
4. Die Unbestimmtheit des Weiterbeschäftigungstitels (hier im Übrigen verneint) kann die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 62 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ArbGG i.V.m. §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO nicht begründen.
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