(Lübeck) Wird versicherungsvertraglich ein Leistungsanspruch für das Auftreten von Krebserkrankungen vereinbart, kann eine Regelung in den Versicherungsbedingungen, die einen Leistungsausschluss für Krebserkrankungen, die nicht nach der „TMN classification of malignant Tumors“ (im folgenden TNM genannt) zu klassifizieren sind, vorsehen, unwirksam sein.
Darauf verweist der Hamburger Rechtsanwalt Matthias W. Kroll, LL.M., Leiter des Fachausschusses „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“ der DASV Deutschen Anwalt- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf das Urteil des Landgerichts Lübeck zu den Aktenzeichen 4 O 127/15.
Die Klägerin hat mir der Beklagten einen „Invaliditätsversicherungsvertrag“, der u.a. eine Rentenleistung für den Eintritt der Pflegebedürftigkeit und eine Rentenleistung für das Auftreten einer Krebserkrankung beinhaltete, geschlossen. Versicherungsbeginn war der 01.11.2010. In den Versicherungsbedingungen war vereinbart, dass als Leistungsfall (auch) der Eintritt einer Krebserkrankung (bösartige, maligne Tumore) gelte. Ein bösartiger Tumor liege vor, wenn es zu unkontrolliertem Wachstum, der Aussaat von Tumorzellen mit Einwanderungen in das umliegende Gewebe und der Zerstörung von gesundem Gewebe komme. Weiter heißt es, dass Hautkrebserkrankungen der Stadien I und II und Gebärmutterhalskrebs vom Versicherungsumfang ausgeschlossen seien. In einem weiteren Punkt der Versicherungsbedingungen, der mit „Bewertungsmaßstab“ überschrieben ist, wird aufgeführt, dass als Krebserkrankungen solche Erkrankungen gelten, die entsprechend der Definition der „TNM classification of malignant tumors, sixth edition“ der International Union Against Cancer (UICC) in 4 Stadien zu klassifizieren (I-IV) sind. Letztlich ist in den Bedingungen festgelegt, dass die Dauer des Leistungsanspruches von dem Stadium der Klassifikation (I-IV) abhängig ist.
Bei der Klägerin wurde im Jahr 2012 ein Sarkom am Finger festgestellt, was zu einer Entfernung des gesamten Fingers führte. Bei dem Sarkom handelte es sich um eine äußerst bösartige Krebsart, die nur 1 % der malignen Erkrankungen im Erwachsenenalter ausmacht. Die Klägerin beantragte daraufhin bei der Beklagten die bedingungsgemäße „Krebsrente“. Die Beklagte lehnte die Leistung mit der Begründung ab, dass das Sarkom am Finger nicht nach der TNM zu klassifizieren sei. Es sei aber vereinbart, dass für Krebserkrankungen, die nicht nach der TNM klassifiziert werden können, kein Leistungsanspruch bestehe.
Das Landgericht Lübeck hat der Klage stattgegeben und der Klägerin Leistungen hinsichtlich des Sarkoms am Finger zugesprochen. Das Landgericht ging davon aus, dass die Klausel, dass als Krebserkrankungen (nur) solche Erkrankungen gelten, die entsprechend der Definition der „TNM classification of malignant tumors, sixth edition“ in 4 Stadien klassifizierbar (I-IV) sind, überraschend und daher unwirksam sei. Auf die Möglichkeit der Klassifizierung nach TNM komme es nicht an, so dass der Klägerin auch hinsichtlich des Sarkoms ein Leistungsanspruch zustehe. Begründet hat das Landgericht Lübeck die Rechtsauffassung damit, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht der Versicherungsbedingungen feststellen werde, dass lediglich der Gebärmutterhalskrebs und Hautkrebs bestimmter Stadien vom Versicherungsumfang ausgenommen sind. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde in berechtigter Weise davon ausgehen, dass diese Aufzählungen abschließend gemeint seien. Auch wenn unter der Überschrift „Bewertungsmaßstab“ aufgeführt sei, dass als Krebserkrankung nur gelte, wenn die Erkrankung nach der TNM zu klassifizieren sei, lege die Überschrift dem Versicherungsnehmer nahe, dass die Einteilung nach Stadien der TNM (I-IV) nur für die Bewertung des Leistungsanspruches, also für die Dauer und für die Frage, ob der Hautkrebs vom Versicherungsumfang ausgenommen ist, herangezogen werde. Ein weiterer Leistungsausschluss sei unter dieser Überschrift nicht zu erwarten und daher unwirksam.
Hierdurch wird recht deutlich, dass einzelne Leistungsausschlüsse in den Versicherungsbedingungen unwirksam sein können und ein Vorgehen gegen die Entscheidung des Versicherers sinnvoll sein kann, auch wenn sich in den Versicherungsbedingungen ein solcher Ausschluss findet. Dies hat selbstverständlich für sämtliche Bereiche des Privatversicherungsrechtes Gültigkeit.
Kroll riet, dies zu beachten und in allen Zweifelsfragen Rechtsrat einzuholen, wobei er dazu u. a. auch auf die entsprechend spezialisierten Anwälte und Anwältinnen in der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.
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Matthias W. Kroll, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Leiter des Fachausschusses XIV „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“
der DASV Deutschen Anwalt- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.
Jonathan zur Nieden
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