Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 16.12.2024, AZ 4 K 443/22 (nachgehend BFH, V R 21/24, Revision anhängig)
1. Bei der entgeltlichen Erstellung von Schein-bzw. Abdeckrechnungen über tatsächlich nicht erbrachte Bauleistungen eines tatsächlich nicht leistenden (Schein-) Subunternehmers, die allein der buchhalterischen Abdeckung der Barentlohnung von Schwarzarbeitern beim Rechnungskunden dienen (hier: Überweisung des Scheinrechnungsbetrages an den Schein-Subunternehmer und Verbuchung der Rechnung als angeblichen Fremdleistungsbezug beim Rechnungskunden, aber sofortige Abhebung des Rechnungsbetrages durch die Hinterleute des Schein-Subunternehmers und Übergabe des Bargeldes abzüglich Provision an den Rechnungskunden zum Zwecke der Entlohnung seiner Schwarzarbeiter in bar), liegt eine der Mehrwertsteuer grundsätzlich unterliegende einheitliche sonstige Leistung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor, welche im Wege der durch die Hinterleute des Schein-Subunternehmers verlangte und auf das bestellte Rechnungsvolumen aufgeschlagene Provision als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt vom Rechnungskunden bezahlt wird (gegen BGH vom 12.01.2022 – 1 StR 436/21, wistra 2022, 299).
2. Die Leistung erschöpft sich in diesem Fall nicht im bloßen „Handel mit Schein-bzw. Abdeckrechnungen“ bzw. der bloßen Beteiligung an einer (Lohn-) Steuerhinterziehung des Rechnungskunden, sondern beinhaltet ein mehrteiliges, umsatzsteuerrechtlich als einheitliche Leistung eigener Art zu bewertendes Leistungspaket, bei dem die Vereinnahmung, Abhebung und Rückführung des bestellten Abdeckvolumens an den Rechnungskunden durch die Hinterleute des hierbei formal eingeschalteten Schein-Subunternehmers aus Sicht des Kunden der (Organisation der) Rechnungsausstellung mindestens gleichwertig ist und deshalb nicht als unselbständige Nebenleistung zu den nur auf die Erstellung und Übermittlung der Scheinrechnung abzielenden Verrichtungen beurteilt werden kann.
3. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die für die jeweilige (Schein-) Subunternehmer-GmbH verantwortliche Tätergruppe mit ihrem Leistungsangebot gegenüber verschiedenen (Rechnungs-) Kunden nachhaltig am Markt in Erscheinung tritt (im Streitfall z.B. durch sukzessive Einschaltung jeweils unterschiedlicher Schein-Subunternehmer-GmbHs über mehrere Jahre und durch Einsatz von Vermittlern zur Gewinnung von Neukunden per Mundpropaganda). In diesem Fall sind die durch die Provision vergüteten Leistungen umsatzsteuerrechtlich auch nicht dem formal auftretenden Rechnungsaussteller (d.h. der jeweils eingesetzten Schein-Subunternehmer-GmbH), sondern den diesen i.S.v. § 35 AO steuerenden Hinterleuten bzw. ihrem Prinzipal als nach außen auftretendem Leistungserbringer zuzuordnen.
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